Faded Duet 1 - Faded - Dieser eine Moment Read online

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  Meine Stimme bricht erbärmlich. Ich schlucke schwer und versuche, mich zusammenzureißen.

  »Wissen Sie was? Ich mag keinen Plan haben. Ich mag für heute Abend nicht mal eine Unterkunft haben. Aber ich will verdammt sein, wenn ich jetzt wieder gehe, nur weil irgendein Blödmann sagt, dass ich das tun soll.« Ich beuge mich vor, um meine Gitarre aufzuheben, und mache mich auf den Weg zur Tür. Mein Atem kommt in wütenden kleinen Stößen. »Ich bin in diese Bar gekommen, weil ich gehört habe, dass sie ein guter Ort zum Arbeiten sein soll, mit einem Boss, der seine Angestellten gut behandelt. Offenbar lag meine Quelle damit falsch.« Ich habe den Ausgang fast erreicht, also schaue ich noch einmal zu ihm, um meinem Ärger mit einer letzten Äußerung Luft zu machen. »Sie wollen mir nicht helfen? Meinetwegen. Ich werde eine andere Möglichkeit finden. Ich werde an jede Tür in Nashville klopfen, bis mich jemand einstellt. Denn ich mag jung sein, aber ich bin nicht ›unbeständig‹ oder ›unberechenbar‹ oder ›wild‹. Sie glauben, dass Sie mich durchschaut hätten, aber ich versichere Ihnen, dass das nicht der Fall ist. Mich kann man nicht durchschauen.«

  Ehrlich gesagt klang dieser letzte Satz in meinem Kopf deutlich cooler als die laut ausgesprochene Variante. Ich kann gar nicht genug rechtschaffene Empörung aufbringen, um ihn weniger lahm klingen zu lassen. Meine Wangen sind knallrot, als ich mich zur Tür herumdrehe. Ich hoffe nur, dass ich diese Bar mit einem winzigen, noch vorhandenen Anflug von Würde verlassen kann, als ich aus Richtung Theke ein tiefes, gepeinigtes Seufzen vernehme.

  »Warte.«

  Ich wirbele herum, und neue Hoffnung keimt in mir auf. Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb wie ein Trommelstock auf eine kleine Trommel. Ich zittere so heftig, dass ich ein Tamburin im Takt rasseln könnte. Trotzdem gelingt es mir, eine gelassene Miene zur Schau zu stellen, als ich Isaacs skeptischem Blick begegne.

  »Wer hat dir von dieser Bar erzählt?«

  »Devyn. Sie ist meine …« Ich verkneife mir das Wort Cousine. »… eine alte Freundin.«

  »Devyn«, murmelt er. »Damit meinst du wohl Devyn Hayes, was?«

  Ich nicke.

  »Sie war eine gute Angestellte. Sie hat hier vor einiger Zeit gearbeitet, bevor ihre Leute umgezogen sind.« Er zieht die Augen zusammen. »Es gab irgendeine Art Familienskandal, wenn ich mich richtig erinnere …«

  Mein Herz schlägt schneller. »Davon weiß ich nichts, Sir.«

  Er sieht mich streng an.

  »Tut mir leid. Isaac.«

  Die Stille dehnt sich ins Endlose. Das einzige Geräusch ist das leise Quietschen seines Lappens, als er sich ein weiteres Glas schnappt und sich daranmacht, es zu polieren. Ich lungere in der Nähe der Türschwelle herum und wage es kaum zu hoffen …

  »Hast du Empfehlungen?«, brummt er.

  »Ich habe Erfahrung«, sage ich ruhig und weiche seiner Frage aus.

  Erneut schleicht sich Zweifel auf sein Gesicht. Ich greife ein, bevor ich meine einzige Chance verliere, ihn umzustimmen. »Hören Sie, Sie kennen mich nicht. Sie trauen mir nicht. Ehrlich gesagt haben Sie nicht den geringsten Grund, mich einzustellen. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich mir ohne zu Murren den Hintern für Sie abarbeiten werde, wenn Sie mir eine Chance geben. Das ist mein Ernst. Ich werde Geschirr spülen, Drinks mixen, Tische abwischen und den Boden fegen, wenn Sie es wollen. Ich werde Ihre Empfangsdame, Ihre Hilfskellnerin, Ihre Barkeeperin, Ihre Bedienung oder Ihre Toilettenputzkraft sein. Was immer Sie wollen, was immer Sie brauchen, ich werde es für Sie erledigen. Ich werde alles tun. Ohne mich zu beschweren.«

  Er schnaubt wieder und wirkt nicht überzeugt.

  Ich verdränge das letzte bisschen Stolz, das ich noch habe. »Ich … ich brauche diesen Job wirklich dringend. Bitte. Geben Sie mir eine Chance.«

  Er stellt das Glas ab, als würde das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern lasten. Als er aufschaut, liegt bedauernde Kapitulation in seiner Miene. Was nur bedeuten kann …

  Er hebt drohend einen Finger. »Eine Chance.«

  Ich quietsche praktisch vor Freude.

  »Wenn du es vermasselst, bist du raus. Ohne Abfindung.«

  »Danke, Sir … Isaac!«, korrigiere ich mich schnell. »Sie werden es nicht bereuen. Das verspreche ich.«

  Er starrt mich prüfend an. »Bist du überhaupt alt genug, um in einer Bar zu arbeiten?«

  »Ich bin einundzwanzig.«

  Minus drei.

  »Ja klar.« Er presst den Mund zu einer strengen Linie zusammen, als wüsste er, dass ich lüge.

  »Hören Sie, wenn Sie meinen Ausweis sehen wollen …« Meine Finger zittern ein bisschen, als ich nach der abgenutzten Geldbörse in der Seitentasche meines Rucksacks greife. Der gefälschte Führerschein, der darin steckt, ist nicht perfekt, aber ich bete, dass er gut genug ist, um Isaacs Überprüfung standzuhalten. Das Datum neben meinem laminierten Foto behauptet stolz, dass ich einundzwanzig bin und nicht gerade mal achtzehn. Außerdem steht auf diesem Führerschein, dass mein Nachname Wilkes lautet und ich im schönen Staat Oklahoma geboren wurde.

  Ich lüge nicht gern, aber ich bin nicht naiv genug zu glauben, dass es nie nötig ist. Überleben geht über ethische Skrupel.

  Er hebt ruckartig eine Hand und sorgt dafür, dass ich mitten in der Bewegung innehalte. »Um den Papierkram werden wir uns später kümmern.«

  Ich lasse den Rucksack zurück an meine Seite fallen.

  »Kannst du sofort anfangen?«, brummt er.

  »Tja, ich …«

  »Toll. Dotty hat sich krankgemeldet«, fällt er mir ins Wort. Dann dreht er sich um und geht davon. »Komm schon, Schätzchen. Wir besorgen dir eine Uniform.«

  »Mein Name ist Felicity!«, rufe ich ihm hinterher, aber er ist bereits durch die Schwingtüren ins Hinterzimmer verschwunden. Entweder hat er mich nicht gehört, oder er hält es nicht für nötig, auf meine Äußerung zu reagieren. Auf jeden Fall besteht die einzige Erwiderung, die ich erhalte, aus einem leisen Quietschen von Türscharnieren in der ansonsten stillen Bar. Mit einem tiefen Seufzen umklammere ich meinen Gitarrenkoffer ein wenig fester und eile hinter ihm her in Richtung des Hinterzimmers des Nightingale.

  2. KAPITEL

  Felicity

  »Das soll ein Wodka Tonic sein, kein Wodka Soda.« Die Blondine schiebt mir ihr Glas entgegen. Ihre kirschroten Lippen sind zu einer verächtlichen Grimasse verzogen. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht lässt vermuten, dass sie mich nicht für besonders intelligent hält.

  »Außerdem habe ich einen Whiskey Cola mit Zitrone bestellt«, mischt sich ihre Freundin ein. »Diese grünen Dinger nennt man Limetten, Schätzchen.«

  Ich beiße die Zähne zusammen und ringe mir ein Lächeln ab. Dann nehme ich ihre Gläser und stelle sie auf mein Tablett. »Tut mir echt leid. Ich bin sofort wieder da.«

  »Darauf würde ich mich nicht verlassen«, höre ich eine von ihnen kichernd sagen, während ich davongehe. »Es hat so lange gedauert, bis wir unsere letzten Drinks bekommen haben, dass man meinen könnte, dass sie den Whiskey höchstpersönlich in den Fässern reifen lässt.«

  Das falsche Lächeln auf meinen Lippen verblasst.

  Ich habe diesen Job erst vor sechs Stunden angetreten, aber es fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Meine Füße schmerzen, als ich mich auf den Weg zurück zur Theke mache, um die verwechselte Getränkebestellung in Ordnung zu bringen. Ich höre, wie Carly am Mikro den nächsten Auftritt ankündigt, aber ich schaue nicht in ihre Richtung. Auf die Minute pünktlich hat jede Stunde ein neuer Künstler die Bühne des Nightingale betreten. Und jeder war irgendwie noch beeindruckender als seine Vorgänger. Im Lauf meiner Schicht habe ich die unterschiedlichsten Auftritte gesehen: eine volkstümlich anmutende junge Frau mit einer Geige, ein Trio aus waschechten Cowboys mit Fransenhemden und Banjos, einen Johnny-Cash-Coverkünstler, der so überzeugend war, dass man glattweg an Wiedergeburt glauben konnte, wenn man ihn singen hörte, und eine verwelkte Königin der Liebesballaden, die man mit Schmeicheleien für einen einzigen Abend aus dem Ruhestand gelockt hatte, damit sie ein paar A
kustiklieder zum Besten geben konnte.

  Das Einzige, was sie eindeutig gemeinsam haben, ist Talent – reines, unbeschreibliches, nicht zu leugnendes Talent.

  Sobald sie den Mund öffnen, fließt die Musik aus ihnen heraus … und die Menge verstummt, um ihnen zuzuhören. Alle starren wie gebannt Richtung Bühne und bringen jene zum Schweigen, die es wagen, während eines Auftritts zu reden. Im Verlauf des Abends wird es immer voller, doch die Atmosphäre stiller Ehrfurcht hält unvermindert an.

  In anderen Bars kann man flirten und sich bei ein paar Drinks ungezwungen unterhalten. Im Nightingale ist die Musik keine Hintergrunduntermalung – sie ist die Hauptattraktion.

  Die Leute drängen sich in der dunklen Bar dicht zusammen, jeder Tisch ist besetzt, und man hat das Gefühl, dass jedes einzelne Sauerstoffmolekül aus dem Raum gesaugt wird. Die Bar bietet gerade mal genug Platz für etwa fünfzig Gäste, aber durch die schmutzigen Fenster sehe ich eine Schlange aus wartenden Gästen, die einmal um das Gebäude herumgeht. Sie alle hoffen darauf, dass ein Tisch frei wird, bevor der nächste Künstler die Bühne betritt.

  Das überrascht mich nicht. Wenn man mich nicht dafür bezahlen würde, hier zu sein, würde ich genau wie die Leute dort draußen dafür bezahlen, hineinzudürfen.

  Während ich darauf warte, dass der Barkeeper meine Drinks mixt, rauscht Adam, der Schichtleiter, mit einer Inventarliste in der Hand an mir vorbei. Er kommt mir so nah, dass ich spüren kann, wie seine Fingerknöchel meinen Hintern durch den Stoff der dunkelgrauen Hotpants streifen und seine breiten Schultern meinen Rücken unter dem eng anliegenden schwarzen T-Shirt berühren, das ich trage. Das T-Shirt wurde unten abgeschnitten, um meinen Bauch zu entblößen, und gehört ebenso zu meiner Arbeitskleidung wie die extrem knappe Hose. In diesem Outfit sehe ich wie eine nuttigere Version von Sookie Stackhouse aus, die auf dem Weg zu ihrer Schicht im Merlotte’s ist. Aber wenn ich mehr Trinkgeld bekomme, indem ich ein wenig Haut zeige, werde ich mich nicht beschweren. Ich brauche das Geld wirklich dringend und kann es mir nicht erlauben, das Ganze von der moralischen Warte aus zu betrachten.

  »Hey.« Adam richtet seine dunkelblauen Augen auf mich. »Das ist ein verrückter Abend für eine erste Schicht.«

  »Ist es hier immer so voll?«

  »Nein. An den Wochenenden ist es sehr viel schlimmer.« Er grinst mich jungenhaft und charmant an. Er sieht auf eine bodenständige Art gut aus, die irgendwie an Clark Kent erinnert – ein kantiger Kiefer, dunkles bronzefarbenes Haar, breite Schultern. Wenn man ihm einen Umhang verpassen würde, könnte er vermutlich die Welt retten. »Kommst du bislang klar? Bringt irgendwas dich aus dem Konzept?«

  Ich zucke mit den Schultern. »Bei mir ist alles in Ordnung.«

  Er lässt die Augen langsam an meinem Körper hinunterwandern und verweilt an bestimmten Stellen, was dafür sorgt, dass sich die Härchen in meinem Nacken aufstellen. »Das sehe ich.«

  Ich lächle schwach und tue mein Bestes, um die Andeutung in seinen Worten zu ignorieren. Ich kann es mir nicht leisten, diesen Job zu verlieren – vor allem nicht an meinem ersten Abend. Adam lehnt sich seitlich gegen die Theke und richtet den Blick schließlich wieder auf mein Gesicht. Ein halbes Grinsen zupft an seinen Lippen. Ich würde es ihm gern aus dem Gesicht schlagen.

  »Weißt du …« Sein Lächeln wird ein wenig breiter. »Normalerweise überlässt Isaac das Einstellen neuer Mitarbeiter mir.«

  »Das wusste ich nicht.«

  »Ich bin überrascht, dass er dich eingestellt hat.«

  Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Oh? Warum denn?«

  »Ihm mag diese Bar gehören, aber ich bin derjenige, der sich hier um alles kümmert.« Tief in seinen Augen blitzt ein Anflug von Wut auf, der aber so schnell wieder erlischt, dass ich ihn kaum wahrnehme. »Das schließt die endgültige Zustimmung bei Personalfragen ein – ich entscheide, wer bleibt, wer geht und wer die besten Schichten im Arbeitsplan bekommt. Verstanden?«

  Sofort verspüre ich heftiges Unbehagen. Die Bedeutung seiner Worte ist nicht zu überhören.

  Wenn du das hier vermasselst, bin ich derjenige, der dich auf die Straße setzen wird.

  Vielleicht ist er doch nicht Clark Kent. Unter dem charmanten Auftreten nehme ich eine Bösewichtausstrahlung wahr, die eher an Lex Luthor erinnert.

  »Na?«, drängt er.

  »Verstanden.«

  »Gut.« Er zieht sich zurück, zwinkert mir zu und wendet sich ab. Seine unbekümmerte typisch amerikanische Art ist zurück. »Wir sehen uns.«

  Ich grübele immer noch über seine verhüllte Drohung nach, während ich mir einen Weg durch die Menge bahne und Cocktails serviere. Ich kann es mir wirklich nicht leisten, in einen Machtkampf zwischen Isaac und seinem Schichtleiter zu geraten.

  Warum müssen Männer immer ihr Revier verteidigen?

  Ich ziehe den dünnen Block zum Aufnehmen der Bestellungen aus meiner Schürzentasche und will mich gerade daranmachen, meinen Bereich nach Gästen abzusuchen, die ein neues Getränk bestellen wollen, als ich eine Stimme aus den Lautsprechern hallen höre.

  »Hey.«

  Ein Wort. Es trifft mich wie ein Blitzschlag – es rast durch meine Nervenenden und setzt mich von innen heraus unter Strom wie ein heftiger Elektroschock. Schon bevor ich mich herumdrehe, um ihn anzuschauen, weiß ich, dass mir der Kerl, der am Mikrofon steht, den Atem rauben wird. Er hat einfach diese ganz besondere Stimme.

  Ich bin auch nicht die Einzige, der das auffällt. Jede Frau in meinem Bereich setzt sich plötzlich aufrechter hin, streicht sich durchs Haar, um ihm mehr Volumen zu verleihen, und drückt den Rücken durch, damit ihr Dekolleté besser zur Geltung kommt. Ich sollte die Pause zwischen den Auftritten nutzen, um Getränkebestellungen aufzunehmen, doch stattdessen drehe ich mich unwillkürlich zur Bühne um. Es ist ein automatischer Reflex, als hätte ich in einer Menge jemanden meinen Namen rufen hören. Ich kann nicht anders, als aufzuschauen.

  Auf der Bühne stehen drei Musiker, aber ich würdige den Schlagzeuger und den Bassisten kaum eines Blickes. Stattdessen starre ich geradewegs auf den Mann, der am Mikrofon steht und von den Scheinwerfern über ihm angestrahlt wird. Er trägt eine zerrissene schwarze Jeans und ein T-Shirt, das so ausgeblichen ist, dass man das Bandlogo auf der Brust nicht mehr erkennen kann. Sein einziges Accessoire ist die schwarze Gitarre, die er sich mit einem Gurt über die Schulter gehängt hat.

  Er ist nicht der attraktivste Mann, den ich je gesehen habe, aber er hat etwas unglaublich Einnehmendes an sich. Sein volles Haar fällt ihm auf diese absichtlich unordentliche Art, die allen Musikern so mühelos gelingt, in die Augen. Seine Nase ist ein wenig schief, sein Mund zu einem Schmunzeln verzogen. Er ist groß, hat den drahtigen Körperbau eines Footballspielers und eine Stimme wie ein träger Sonntagmorgen – langsam, weich und mit einem kaum wahrnehmbaren Südstaatenakzent am Ende der Vokale, der dafür sorgt, dass man den ganzen Tag im Bett verbringen will.

  »Ich weiß, dass ihr heute Abend alle hergekommen seid, um Lacey singen zu hören …«

  Die Menge jubelt und kennt die Person, von der er redet, ganz offensichtlich.

  »Aber sie hat ein wenig Verspätung, also werdet ihr heute Abend mit mir und den Jungs vorliebnehmen müssen«, fährt er gedehnt fort und verzieht dabei sarkastisch den Mund.

  Die Frauen in der Menge grölen noch ein wenig lauter, die Männer wirken angesichts dieser Neuigkeit ein wenig enttäuscht.

  »Normalerweise verstecke ich mich dort hinten hinter meiner Gitarre und überlasse das Singen den Profis.« Er lacht bescheiden, und der bloße Klang genügt, dass es mir den Atem verschlägt. »Ihr müsst Nachsicht mit mir haben, wenn ich dieser Bühne nicht gerecht werde.«

  Nachsicht mit ihm haben?

  Er muss sich für nichts entschuldigen. Verdammt, wenn seine Sprechstimme auch nur den geringsten Hinweis auf seine Singstimme gibt, könnte er das Titellied der Teletubbies singen und damit James Taylor in den Schatten stellen.

  »Wir sind Lacey Briggs’ Band. Aber da uns an diesem schönen Abend eine gewisse Lacey
Briggs abhandengekommen ist, würde ich uns gern kurz vorstellen. Ich bin Ryder, das dort am Bass ist Aiden, und Lincoln sitzt am Schlagzeug … Und wir sind nur drei Nobodys, die ein bisschen Spaß haben wollen. Meint ihr, ihr könnt uns dabei helfen?«

  Die Menge grölt.

  »Also gut, Nashville. Lasst uns das verdammt noch mal durchziehen.«

  Lincoln schlägt seine Trommelstöcke in der Luft zusammen und zählt einen Takt herunter. Ein paar Sekunden später spielen sie die Coverversion eines Lieds der Zac Brown Band. Die Menge geht sofort mit – alle nicken zur Musik mit den Köpfen, bewegen sich auf ihren Plätzen hin und her und wippen im Takt. Mit großer Mühe gelingt es mir, den Blick von der Bühne loszureißen und mich auf die Runde durch meinen Bereich zu begeben. Ich nehme mehrere Getränkebestellungen auf und lächle höflich, damit ich Trinkgeld bekomme. Doch die ganze Zeit über ist meine Aufmerksamkeit auf den Mann hinter mir gerichtet, der mit mehr Überzeugung über frittiertes Hühnchen und kaltes Bier singt, als die meisten Musiker für ihre ergreifendsten Liebeslieder aufbringen können.

  Denk an deine Regeln, Felicity, tadele ich mich streng, als ich mich dabei erwische, wie ich die Hüften im Rhythmus der Musik bewege. Keine Musiker. Niemals. Selbst dann nicht, wenn er heiß ist. Selbst dann nicht, wenn er eine Stimme wie ein Glas Whiskey auf leeren Magen hat.

  Ich versuche, auf die Alarmglocken zu hören, die in meinem Kopf schrillen, und mir einzureden, dass mich der Mann auf der Bühne vollkommen kaltlässt … Aber ich kann nicht leugnen, dass ein bisschen mehr Schwung in meinen Schritten liegt, als ich mich auf den Weg zur Theke mache. Ich rattere meine Bestellung für Jay, den Barkeeper, herunter und drehe mich herum, um den Auftritt zu genießen, während ich warte. Die Band ist zu einer lautstarken Interpretation von »Wagon Wheel« übergegangen, und der Sänger – Ryder – bearbeitet das Publikum mit allem, was er hat. Er wiegt sich vor und zurück, singt die Frauen direkt vor der Bühne an und zwinkert denen, die weiter entfernt sind, zu. Man kann kaum glauben, dass er sich normalerweise auf Gitarrenakkorde und Backgroundgesang beschränkt. Er wurde geboren, um im Mittelpunkt zu stehen. Er ist der Star des Auftritts.